"Unsere Aufgabe ist es, den Wissenstransfer aus der Wissenschaft in die Wirtschaft voranzutreiben"

Bernd Buchholz im Gespräch mit Regine Schlicht

Regine Schlicht ist Leiterin des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Kiel (M4KK). Mit Wirtschaftsminister Bernd Buchholz spricht sie darüber, wie sie kleine und mittlere Unternehmen auf deren Weg zur Digitalisierung unterstützt, welche Rolle künstliche Intelligenz dabei spielt und weshalb die Kommunikation innerhalb eines Unternehmens besonders wichtig ist.

 

 

 


 

 

Bernd Buchholz: Moin aus Kiel und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge meines Podcasts „Echte Chancen“. Mein Name ist Bernd Buchholz. Ich bin Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein und ich treffe in diesem Podcast Menschen, die das Land auf eine bestimmte Art und Weise voranbringen, als Unternehmerinnen, als Unternehmer oder als Forscherinnen, als Wissenschaftler, in vielen unterschiedlichen Bereichen. Heute ist mein Gast Regine Schlicht. Regine Schlich ist Leiterin des Mittelstands 4.0 Kompetenzzentrums in Kiel. Hallo Frau Schlicht.

Regine Schlicht: Hallo Herr Dr. Buchholz, vielen herzlichen Dank für die Einladung!

Gerne, weil das Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum in Kiel – was bitte ist das denn?

Das Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Kiel ist ein Zusammenschluss von Hochschulen hier in Schleswig-Holstein unter Leitung der Forschungs- und Entwicklungs-GmbH der Fachhochschule Kiel. Wir haben Kompetenzen der Fachhochschule Kiel, der Universität Kiel, der Uni Lübeck, der Technischen Hochschule Lübeck und der UniTransferKlinik Lübeck an Bord. Und unsere Aufgabe ist es, den Wissenstransfer aus der Wissenschaft in die Wirtschaft voranzutreiben und Unternehmen auf dem Weg in die Digitalisierung zu begleiten, ihnen technische Möglichkeitsspielräume aufzuzeigen. Ihnen Möglichkeiten darzustellen, sie auf dem Weg zu begleiten bis hin zu konkreten Projekten, die wir mit den Unternehmen umsetzen.

Das müssen wir gleich noch mal ein bisschen vertiefen. Aber erst noch mal irgendwie, das klingt ja nach wahnsinnig vielen Universitäten und Hochschulen und Trallala – die erste Reaktion eines Mittelständlers ist: Oh Gott! Klingt teuer.

Ja, mag gerne sein. Aber alle Angebote dieses Mittelstand Kompetenzzentrums sind kostenlos. Wir sind ein gefördertes Projekt und unser Ziel ist es, wirklich Ansprechpartner für den Mittelstand in Schleswig-Holstein zu sein.

Okay, also es kostet mich als mittelständischer Unternehmer nichts, wenn ich mich an Sie wende und Fragen habe zum Thema Digitalisierung? Jetzt nehmen wir mal an, ich wär so einer, also ein kleines Unternehmen. Was können Sie denn mit mir machen? Was, wie können Sie mir helfen?

Ganz unterschiedlich. Grundsätzlich ist es erstmal so: Viele Unternehmen in Schleswig-Holstein haben so ein bisschen eine Hürde, auf die Hochschulen zuzugehen, wissen auch nicht, wen sie ansprechen können. Und wir sind halt ein zentraler Ort und die Unternehmen haben die Möglichkeiten, erstmal überhaupt grundsätzlich mit uns ins Gespräch zu kommen. Wir haben Sprechstunden, da können sie ihre Herausforderung darstellen, ihre Probleme darstellen und wir gucken dann, ob wir sie unterstützen können. Und ein ganz wichtiger Punkt ist auch beispielsweise: Wir haben Erlebnisräume an den Hochschulen, wo man Digitalisierung anfassen kann, ausprobieren kann. Die digitale Fabrik an der Fachhochschule Kiel zum Beispiel: da gibt es Roboter, da gibt es VR-/AR-Szenarien, da haben wir Maschinen, wo wir Retrofit und ähnliches darstellen können. Und das haben wir an den anderen Hochschulen auch. Und es ist für Unternehmen sehr viel einfacher, wenn man Dinge auch mal in live sieht und nicht immer nur mit der Theorie konfrontiert wird. Sondern da kann ich es sehen, da kann ich auch erleben, was andere Unternehmen machen. Das heißt, ich kann an der Stelle auch wirklich die Projekte sehen, die wir mit anderen Unternehmen umgesetzt haben und davon lernen.

Warum ist aus Ihrer Sicht Digitalisierung für mittelständische Unternehmen so eine Herausforderung?

Also wir haben tatsächlich gelernt, dass viele Unternehmen sich zwar bewusst sind, dass sie was tun müssen, aber gar nicht wissen, wie sie einsteigen sollen. Weil das Know-How zum Teil fehlt, weil sie auch Angst haben, auf ein Beratungsunternehmen zum Beispiel zuzugehen, weil sie gar nicht wissen, welche Fragestellungen sie stellen müssen. Dann haben sie gleich auch: Was kostet mich das dann? Wir an der Hochschule, wir sind eben kostenlos und wir sind vor allen Dingen eine neutrale Stelle. Das heißt, wir können wirklich vollkommen unabhängig mit den Unternehmen arbeiten und nehmen ihnen die Angst.

Sie wollen kein Produkt verkaufen und für die Beratung müssen Sie auch nichts nehmen. Das ist mit Neutralität gemeint.

Ja, genau.

Gut, jetzt diese Schwelle abzubauen, dort hinzugehen, stelle ich mir trotzdem interessant vor, weil, was habe ich als mittelständischer Unternehmer am wenigsten: Zeit. Und mir die Zeit zu nehmen, zu sagen: Ich verbringe jetzt mal einen Tag am Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Kiel. Also, das klingt nach einer echten Herausforderung. Wie kriegen Sie die Menschen, wie kriegen Sie die Unternehmerinnen und Unternehmer da hin?

Ja. Also man ist ja nicht einen ganzen Tag bei uns in der Regel, sondern wir haben viele verschiedene Angebote. Ein Teil der Unternehmen generieren wir wirklich, indem wir sie auf Informationsveranstaltungen kennenlernen. Wir haben aber auch wirklich tolle Angebote, wie diese Lab-Touren, wo sie bei uns in diese Experimentierräume kommen können, sich mit vielen anderen Unternehmen austauschen können. Das ist dann wirklich immer Workshop-Charakter und das stößt schon auf fruchtbaren Boden bei den Unternehmen. Dann gibt es natürlich auch die Möglichkeit, wirklich konkret mit uns in Projekte einzusteigen. Und das ist für viele Unternehmen auch wiederum ganz gut, dass sie ihre Idee auf den Prüfstand stellen können und hinterher eine Entscheidung treffen können: Ist das der richtige Weg für mich, ist es vielleicht die richtige Technologie? Und wenn ja, dann kann man weitergehen. Aber sie haben vor allen Dingen erstmal einen Know-How-Aufbau an der Stelle und eine Entscheidungsgrundlage.

Ist aus Ihrer Sicht das Thema Technologie da für viele die größte Hürde oder etwas anderes?

Natürlich ist der technologische Möglichkeitsspielraum, der mit der Digitalisierung einhergeht, eine riesige Hürde für viele Unternehmen. Aber das ist nicht alles, weil die Technologie für viele häufig der erste Schritt in die Digitalisierung. Aber wenn wir das Ganze, die Digitalisierung wirklich als Ganzes denken, dann nimmt es natürlich auch Einfluss auf die Organisation eines Unternehmens: die Unternehmenskultur, die Menschen, all dieses verändert sich und ich brauche natürlich als Unternehmen auch letztendlich eine Strategie, wenn ich das vorantreiben will, von Großen.

Nun stelle ich mir mal vor, oder was heißt stell ich mir mal vor, eine der wesentlichen Herausforderungen, da haben wir am Anfang auch drüber gesprochen. Als dieses Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Kiel gegründet wurde…wenn man so viele Menschen aus der Wissenschaft dabei hat: Treffen die die Sprache der Mittelständler, treffen die das Gefühl? Also wie kriegt man da auf der Ebene auch einen Zugang dazu? Sie haben jetzt gesagt „anfassbar machen“. In Wahrheit nicht nur informieren, wahrscheinlich ein bisschen demonstrieren was so sein könnte, ist ein guter Schlüssel, um jemanden klar zu machen: Du, da ist was, da ist vielleicht auch was für dich. Jetzt mal konkret: Wie habe ich mir das so vorzustellen? Also es gibt den Kontakt, es gibt das Gespräch. Wie kriegen Sie es hin, jetzt jemanden dazu zu bewegen, zu sagen: Mensch, mit euch ist das wirklich gut. Diese Angst, die ich hatte, lauter Professoren um mich rum und Doktoren und all sowas – ihr redet, meine Sprache, ihr könnt mir wirklich helfen. Wie geht das?

Also grundsätzlich muss man sich sagen, auch wenn das wissenschaftliche Mitarbeiter, wenn es Professoren sind, das sind alles Menschen. Und diese Menschen haben eine Kompetenz, die sie gerne weitergeben wollen. Also die freuen sich auch, wenn sie mit Unternehmen zusammenarbeiten können. Man muss ganz klar sagen: Nicht nur die Wirtschaft lernt von der Wissenschaft, sondern die Wissenschaft lernt in dem Fall auch von der Wirtschaft, weil all das, was wir hier erarbeiten mit den Unternehmen, oder vieles davon, fließt zumindest in die Lehre wiederum ein. Und wenn wir mit Unternehmen zusammenarbeiten, es gibt vielleicht ein Erstgespräch, dann merken die Unternehmen ganz schnell: Das sind ganz normale Menschen, die einfach nur eine Kompetenz haben, die ich nutzen kann. Die haben andere Kompetenzen als ich. Aber für uns war es dann nach dem Erstkontakt in der Regel nicht schwer, Menschen davon zu begeistern, mit uns zusammenzuarbeiten.

Nun ist nach diesem Erstkontakt und der Ansprache das Thema: Ich habe vielleicht wirklich noch überhaupt gar nicht eine Idee davon, was eigentlich die Digitalisierung für mich ermöglicht. Nun können Sie ja schwerlich für alle möglichen Branchen und für alle möglichen mittelständischen Unternehmen unterschiedliche digitale Lösungen quasi zum Demonstrieren bereithalten. Es gibt Schwerpunkte deshalb in jedem dieser Kompetenzzentren, und die es nicht nur bei uns gibt, sondern über die ganze Republik verteilt. Die Schwerpunkte hier in Kiel sind welche?

Also wir haben die Domänenkompetenz aus dem Maschinenbau, aus der Lebensmitteltechnik und aus der Medizintechnik mit an Bord, haben aber auch viele Themen, die vollkommen branchenunabhängig sind. Und zwar, wenn es um den Bereich Innovation und Geschäftsmodelle geht, wenn es um den Bereich Interoperabilität geht. Dahinter verbirgt sich beispielsweise so was wie Big Data und künstliche Intelligenz. Wenn es um den Bereich Wirtschaftlichkeit oder auch Sensorik geht. Das sind Themen, die sind vollkommen branchenunabhängig und da sind wir auch wirklich in allen möglichen Unternehmen zu Hause.

Das heißt, diese Kernbranchen, die sind zwar da, da gibt es eine besondere Kompetenz, aber es kann auch der normale Handwerksmeister mit seinem Betrieb zu Ihnen kommen und sagen: Ich frage mich, wie Sensorik oder wie künstliche Intelligenz für mich vielleicht auch nutzbar zu machen ist – wenn er denn die Fragestellung so konkret treiben würde. Sie würden an den Feldern auch helfen, beraten und Beiträge leisten können?

Ja, natürlich. Es gibt sicherlich in der Initiative das Kompetenzzentrum Handwerk, die noch mal eine explizite Domänenkompetenz haben, die wir dann auch in besonderen Fällen zu Rate ziehen. Aber wir selber haben beispielsweise einen Friseursalon gehabt, der gesagt hat: Mensch, ich brauche hier Hilfe, ihr macht das Thema Sensorik. Kann ich damit, gerade zu Coronazeiten, vielleicht mein Raumklima irgendwie betrachten? Kann ich damit mir Signale senden lassen, wann ich mal wieder lüften muss? Wo wir auch so einen Feldversuch einfach mit einem Friseursalon gemacht haben.

Das heißt, Sie haben dann gemeinsam mit dem Friseursalon ein Projekt gemacht?

Dann haben wir ein Projekt gemacht, um einfach mal die Machbarkeit und die Sinnhaftigkeit auf den Prüfstand zu stellen. Unsere wissenschaftlichen Mitarbeiter sind dann in diesen Salon auch gegangen, haben dort Sensoren angebracht und das einfach mal getestet. Damit ist dann die Friseurmeisterin hinterher entscheiden konnte: Ist das sinnvoll für mich, ja oder nein? Oder ist das nur so eine Idee, die erst mal gut klang?

Sagen Sie doch mal ein paar andere Beispiele von Projekten, die Sie so gemacht haben. Weil ich finde, anschaulich wird es ja dadurch, dass man sieht: Es ist tatsächlich jetzt nicht irgendwie abgehoben oder es sind nur die großen Firmen aus Schleswig-Holstein, sondern es sind in der Tat viele kleine dabei, die ihre Kompetenz in Anspruch nehmen.

Ja, also wir haben wirklich ganz, ganz viele unterschiedliche Projekte. Nehme ich mal hier ein Kieler Unternehmen, die züchten Kristalle. Kristalle für Optiken. Die werden beispielsweise in der Medizintechnik oder auch in der Raumfahrt eingesetzt. Und ein besonderes Kristall, das sie züchten, hat scharfe Kanten, die gefast werden müssen. Also die müssen angeschliffen werden, was momentan händisch gemacht wird. Und dann sitzt dort wirklich ein Mitarbeiter und schleift diese Kanten, Stückzahlen von eins bis zehntausend. Und hier haben wir mit denen ein Robotik-Szenario entwickelt, auch an der Fachhochschule Kiel, wo wir dann diesen Schleifprozess nachgestellt haben, weil das sind andere Summen, die in die Hand genommen werden müssen, wenn es hinkommt. Und haben dann auf den Prüfstand gestellt: Kommt da die gleiche Qualität raus? Wenn ja, wie viel Aufwand steckt im Detail dahinter? Und das Unternehmen konnte einfach hinterher eine ganz klare Entscheidung treffen: Ja, das ist zielführend, oder nein, ich mache das nicht weiter.

Und was hat das entschieden? Hat es tatsächlich die Robotik eingeführt?

Tatsächlich hat das Unternehmen entschieden: Nein, sie machen das nicht weiter. Haben aber gesagt: Dieses Thema Robotik ist so toll, wir haben ein ganz anderes Szenario, da werden wir ihn zukünftig einsetzen.

Robotik spielt bei Ihnen eine große Rolle. Sie haben auch vorhin gesagt, so anschaulich nach dem Motto, die Fabrik, das war ein Fabrikszenario. Also Sie führen tatsächlich auch vor, wie bestimmte Prozesse einfach auch mal digitalisiert ablaufen können. Wie viele Projekte parallel dazu haben Sie inzwischen abgewickelt?

Oh, wir haben sehr viele Projekte. Dazu muss man sagen, wir haben drei unterschiedliche Projektformate. Wir haben einmal ein sehr kurzfristiges, das dauert zwei Wochen im Maximalfall, wo wir erst mal die Machbarkeit auf den Prüfstand stellen der Idee. Und dann haben wir ein kurzläufiges Projekt, wo wir bis maximal einen Mannmonat reinstecken können, und wirklich Langläuferprojekte bis zu sechs Mannmonaten, die die Unternehmen dann kostenlos erhalten. Und wir haben mittlerweile, ja, an die 40 Projekte in allen Formen schon gemacht.

Also es wird in Anspruch genommen.

Es wird in Anspruch genommen.

Und wir steigern jetzt noch ein bisschen die Bekanntheit dieses Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrums in Kiel. Sie sitzen auf dem Ostufer in Kiel?

Also wir sitzen auch auf dem Ostufer in Kiel, aber jede Hochschule ist natürlich auch direkt ansprechbar. Das heißt, wenn ich in Lübeck bin und ich habe beispielsweise auch dort vor Ort ein Thema, dann stellen wir auch den Kontakt natürlich direkt zu den Lübecker Kolleginnen und Kollegen her.

Man merkt daran, Schleswig-Holstein tut da viel dafür, um den mittelständischen Unternehmen den Weg in die Digitalisierung ein Stückchen zu erleichtern, jedenfalls erst mal den Zugang dazu zu eröffnen. Unsere Wirtschaft ist relativ kleinteilig, viele sehr, sehr kleine Unternehmungen, die in der Regel keine Forschungs- und Entwicklungsabteilung haben, umso wichtiger ist es. Wenn Sie sagen müssten: Na, wie weit sind denn die meisten dieser schleswig-holsteinischen Unternehmungen auf dem Weg in der Digitalisierung? Sind viele noch ganz am Anfang oder viele schon ganz weit?

Das letzte Jahr hat natürlich einen ganz erheblichen Anschub gegeben. Und mir ist jetzt kein Unternehmen bekannt, von dem ich sagen würde, das hat sich noch nicht auf den Weg gemacht. Aber man muss auch ganz klar sagen, das haben wir im letzten Jahr doch gelernt, es gibt noch viele, die am Anfang stehen.

Also eine breite Spreizung, so nehme ich das in Wahrheit auch wahr. Einige, die in der Tat überhaupt keine Angst mehr vor dem Begriff „künstliche Intelligenz“ haben und sagen: Mensch, wie lässt sich das für mich einsetzen? Insbesondere beim Bereich Sensorik sind sowieso ganz viele schon dabei zu sagen, da können wir uns was Konkretes auch drunter vorstellen, uns das nutzbar zu machen. Aber eben auch einige, die wirklich sagen: Bis jetzt haben wir versucht, das Thema gar zu umgehen, die Auftragsbücher waren voll. Wir mussten uns damit in Wahrheit nicht beschäftigen, der Umsatz ist auch so gemacht worden. Aber jetzt sehen wir sehr wohl, gerade nach der Pandemie, dass da doch ein gewaltiger Beschleunigungseffekt eingetreten ist, der nicht nur in den Büro-Office-Jobs mit dem berühmten, der berühmten Videokonferenz eingetreten ist, sondern der auch an vielen anderen Stellen dafür gesorgt hat, dass man einfach die digitale Herausforderung stärker spürt. Insoweit ist so ein Kompetenzzentrum richtig gut. Wir müssen noch mal so ein bisschen auf Ihre Kernbranchen da eingehen, die Sie nun besonders betreuen: Lebensmitteltechnik als eines der Themen. Was wird da besonders an Kompetenz aufgebaut?

Da ist gerade auch das, was wir besonders vorangetrieben haben, das Thema Hygiene. Und zwar, in lebensmittelverarbeitenden Unternehmen spielt verständlicherweise das Thema Hygiene und Dokumentation von diesen Hygieneprozessen eine ganz, ganz große Rolle. Und viele Unternehmen machen das noch sehr zu Fuß. Das heißt, da gibt es Zettel, Laufzettel, es gibt vielleicht mal eine Excel-Liste – und da sind wir im letzten Jahr in ganz vielen Unternehmen tätig gewesen, um das einfach voranzutreiben. Denn da gibt es neue gesetzliche Regelungen, die eingehalten werden müssen und viele Unternehmen waren da einfach noch nicht so weit und haben sich auch an vielen Stellen die Zeit gar nicht genommen und waren sehr froh, dass sie eine Hilfestellung haben, die das auch ein bisschen getriggert hat, auch zeitlich ein bisschen getriggert hat.

Daran merkt man, dass es also quasi ja auch von Ihrer Seite aus dann so den einen oder anderen Standard geben könnte, den Sie da entwickeln. Ist das denn so, dass Sie für manche Unternehmen aus der Lebensmittelbranche einfach sagen können: Haben wir schon mal gemacht, können wir Ihnen zeigen, geht ungefähr so und so? Oder ist das dann doch sehr individuell?

Also wir betrachten es immer sehr, sehr individuell. Weil wir auch da nicht nur sagen: Du hast hier ein Stück Software und kannst es einsetzen. Sondern wir schauen natürlich auch: Wie sind die Prozesse, was willst du verändern? Wie nimmst du deine Mitarbeiter mit? Wie schulst du deine Mitarbeiter? Wie förderst du die Akzeptanz für so etwas? Weil das ist ja in vielen Unternehmen schon auch so, wenn neue Dinge kommen, heißt es nicht automatisch, dass alle begeistert sind, dass da etwas Neues kommt. Und insofern steckt da viel mehr hinter und es ist nichts von der Stange. Jedenfalls so wie wir agieren nicht.

Da gehen wir jetzt noch mal zurück, weil in Wahrheit waren wir jetzt noch die ganze Zeit über sehr technisch. Aber wir hatten an einer Stelle vorhin dieses Thema: Was sind die wahren Herausforderungen, die technischen oder die Challenge-Themen, die Veränderungsthemen, die in einem Unternehmen kulturell eine Rolle spielen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffen? Ein Thema, das in der Vergangenheit, als ich noch unternehmerisch tätig war, oft total unterschätzt worden ist. Der Veränderungsprozess als solcher wurde technisch gedacht, aber die Ängste, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei haben, weil sie sagen: Oh Gott, das kriege ich nicht hin, das weiß ich nicht – die sind oft ausgeblendet worden. Wie können Sie an der Stelle eigentlich Hilfestellung geben?

Ja, also da gibt es ganz viele Möglichkeiten. Wir machen einmal das sogenannte Innovationsfähigkeit-Assessment. Das ist ein ganz spannendes Werkzeug, damit Unternehmen den Spiegel vorgehalten bekommen. Und zwar nehmen dort Mitarbeitende aus allen Hierarchiestufen und aus allen möglichen Abteilungen teil, müssen einen Fragebogen ausfüllen, der ausgewertet wird. Das heißt vom Geschäftsführer bis zur Reinigungskraft, die füllen den aus. Und anhand der gesamten Fragestellungen werden Themen aus dem Bereich Unternehmenskultur, Kommunikation, Strategie betrachtet. Und das, was am häufigsten bei den Unternehmen herauskommt, ist, dass sie feststellen, dass die interne Kommunikation Nachholbedarf hat. Weil, es gibt ganz viele tolle technologische Dinge, die vorangetrieben werden und es gibt ganz viele Insellösungen, aber das Kommunizieren, dass Mitarbeiter-Mitnehmen, das wird tatsächlich nicht so viel bei den Mitarbeitern oder mit den Mitarbeitern gemacht, wie die Geschäftsleitungen das häufig eigentlich denken. Da klafft schon eine Spannung.

Hat oft, aus meiner eigenen Erfahrung, was damit zu tun, dass man als Geschäftsleitung manchmal vielleicht lange auf bestimmten Dingen rumgedacht hat und dann denkt, alle Leute müssten eigentlich die ganze Zeit mitgedacht haben. Aber die haben an dem Prozess gar nicht teilgenommen und dann werden sie eben nicht mehr mit auf die Reise genommen. Also in Wahrheit viel, viel Kommunikationsfragen, die eine Rolle spielen.

Super viele.

Und wie geht man auf so etwas ein? Wenn ich jetzt 20 Mitarbeiter habe und mit denen darüber reden soll, dass ja das, letztlich aus deren Sicht auch Automatisierung, möglicherweise auch Ängste in Sachen Arbeitsplatzverlust ausmacht? Wie gehe ich darauf ein?

Wir machen es viel mit Workshops, dass wir die tatsächlich einbinden, dass wir sie in die Ideengenerierung mit einbinden, dass wir ihnen aber auch aufzeigen, dass dafür neue Möglichkeiten bei ihnen entstehen. Ein gutes Beispiel, wenn wir noch mal tatsächlich auf ein Unternehmen kommen, das hier in Kiel ansässig ist: Wir arbeiten mit einer kleinen Bank zusammen. Eine Bank ist ja per se erstmal sehr hierarchisch aufgebaut, absolute Silo-Denke – und diese Bank macht das ganz schlau, die haben auch das Assessment gemacht, denen haben wir noch das Kompetenzzentrum Kommunikation eingebunden für weitere Workshops, weil wir gar nicht die Ressourcen hatten. Und die binden wirklich ihre Mitarbeiter ein in die Workshops. Die durften bei der Arbeitsraumgestaltung mitwirken, die dürfen bei Prozessen mitwirken und die haben die Möglichkeit das mitzugestalten und dann tragen sie das auch. Und nur mit diesem gesamtheitlichen und gemeinschaftlichen Aspekt kriegen sie das sehr gut hin.

Frau Schlicht, wie viele Beschwerden von Unternehmensberatungsfirmen haben Sie eigentlich schon gehabt, die gesagt haben: Ihr nehmt uns unsere Jobs weg, ist doch eigentlich unsere Unternehmensberater-Tätigkeit. Warum macht ihr das mit Fördergeldern von der Universität aus jetzt?

Das haben wir tatsächlich noch nicht gehabt und wir sehen uns auch nicht als Berater. Wir sehen uns tatsächlich an der Stelle als Impulsgeber. Wir sehen uns als diejenigen, die die erste Hürde nehmen und ihnen Wege und Möglichkeiten aufzeigen. Wir werden ja nie konkret beraten. Wir werden nie Konzepte machen, Strategien ausarbeiten oder vielleicht auch hinterher einen Betrieb gewährleisten.

Sie sind der Impulsgeber, der auslösen soll, dass dann eigentlich der Berater erst ins Spiel kommt, wenn man den Prozess ein bisschen stärker beguckt, analysiert hat und gegebenenfalls auch mitbekommen hat, dass solche Change-Prozesse erfordern, dass man nicht nur an die Technologie, nicht nur an die Digitalisierungsmöglichkeiten, sondern an die Mitarbeiter denkt, an die Kultur des Unternehmens, an die Kommunikation, die man viel, viel stärker gewährleisten muss. Also insoweit Hilfestellung und Impulsgeber für gerade kleine und mittelständische Unternehmen, die da erst mal den Zugang finden müssen. Regine Schlicht ist bei mir, Leiterin des Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum in Kiel. Zum Schluss eines solchen Podcast stelle ich immer drei schnelle Fragen mit der Bitte um drei schnelle Antworten. Die besten Ideen habe ich…

… Entweder beim Joggen, und ganz grandios sind immer so die Zufallstreffer in der Küche beim Kaffee holen.

Beim Kaffee holen?

Ja, wenn man sich trifft und dann kommt man ins schnacken mit Kollegen oder Kolleginnen und dann merkt man: Oh, das erzähl doch mal.

Wo wir schon mal bei einer Kreativitätsfrage sind: Haben Sie Ihre Ideen allein oder eher mit anderen gemeinsam?

Es kommt wirklich auf das Thema an. Wenn es um Textideen geht, das mache ich wirklich beim Joggen. Weil dieser Rhythmus, dieser eigentlich monotone Rhythmus, schafft es, dass ich ganz toll in Text denken kann. Und gemeinsame Ideen sind mehr so, wenn wir was Neues vorantreiben wollen, wenn wir am Portfolio agieren wollen, neue Themen identifizieren wollen: Das macht man immer sinnvollerweise in der Gruppe, weil die sollen das mit leben.

Dann eher beim Kaffeeholen, habe ich gelernt. Mein liebster Ort in Schleswig-Holstein ist…

Strand und Meer.

Es gibt viele Stellen in Schleswig-Holstein, also…

Gut, primär ist es Strande.

Strande. Das ist ganz in der Nähe von Kiel, nördlich von Schilksee, das kennen viele, die vielleicht zuhören. Ein kleiner, sehr schöner Ort mit Blick über die Kieler Förde. Am meisten inspiriert hat mich…

Eigentlich immer, sowohl früher als auch heute, die Zusammenarbeit mit Menschen, gerade auch mit interdisziplinären Teams, wo wir gemeinsam gestalten, agieren, Dinge bewegen.

Damit haben wir noch ein kleines bisschen was von dem Menschen Regine Schlicht erfahren, die heute mein Gast war bei „Echte Chancen“, bei diesem Podcast. Vielen Dank, dass Sie da waren und Ihnen, die Sie zugehört haben. Ich hoffe, es war spannend und Sie freuen sich darauf, wenn es an eine nächste Folge geht und ich einen weiteren spannenden Gast bei „Echte Chancen“ begrüßen kann. Herzlichen Dank!